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Leben und Sterben

Happy Halloween!

Geister und Wiedergänger in römischer Zeit.

In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November wird vor allem in den USA und Großbritannien Halloween gefeiert. Doch das Fest der Geister hat längst auch in unseren Breitengraden Einzug gehalten und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Dabei sind die zentralen Halloween-Gestalten keine modernen Erscheinungen – bereits in der Antike war die Furcht vor unliebsamen Besuchern aus dem Jenseits und Wiedergängern weit verbreitet.

Gr. 16/Gräberfeld Kristein, Lauriacum ©BDA

Er ist wohl eine der berühmtesten Gruselgestalten der Moderne: Graf Dracula, den sein Schöpfer, der irische Schriftsteller Bram Stoker, als älteren Mann mit raubvogelartigem, blassem Gesicht, spitzen Ohren, langen und krallenartigen Nägeln, scharfen Zähnen und auffallend roten Lippen beschreibt. Als Wesen der Nacht ruht er tagsüber in einer Kiste und geht nachts auf die Jagd nach Menschen bzw. deren Blut. Als Vorlage dienten Stoker unter anderem Vampirmythen aus dem südosteuropäischen Raum. Aus dem späten 17. und dem 18. Jahrhundert liegen zahlreiche Berichte über angeblich von Vampiren befallene Dörfer vor. Unabhängig der verschiedenen Mythenstränge handelte es sich bei Vampiren ursprünglich um Untote, die nach Eintritt der Nacht aus ihren Gräbern stiegen, die Lebenden heimsuchten und für diverse Katastrophenszenarien (Umweltkatastrophen, Epidemien, etc.) verantwortlich gemacht wurden. Bereits in der Antike galt das Wirken der Götter aber auch böser Geister und Wiedergänger als Erklärungsmodell derartiger Phänomene. 

Die Geister Roms

Die schriftlichen Quellen nennen drei ‚Arten‘ von Geistern, die eine potenzielle Gefahr für die Lebenden darstellen konnten: Menschen, die vor ihrer Zeit verstorben waren (Kinder aber auch unverheiratete Frauen und Männer), die durch einen gewaltsamen Tod ihr Ende gefunden hatten oder deren Leichname nicht bestattet worden waren. Die Wiederkehr dieser ‚ruhelosen Toten‘ sollte durch magische Praktiken verhindert werden. Da die Grabstelle als Verweilort des Toten bzw. seines Geistes angesehen wurde, war sie auch der Ort, an dem diese Handlungen durchgeführt wurden. Eine besonders umfangreiche Quelle für die Methoden, die böse Geister endgültig ins Jenseits befördern sollten, stellen die Declamationes Maiores dar, eine aus dem 4. Jh. n. Chr. stammende Sammlung fiktiver Gerichtsreden, die fälschlicherweise dem kaiserzeitlichen Autor Quintilian zugeschrieben worden waren. Die X. Declamatio, die den Titel ‚ De sepulchrum incantatum‘ (vom verzauberten Grab)trägt, handelt von einer Mutter, die jede Nacht vom Geist ihres unverheirateten, an einer Krankheit verstorbenen Sohnes aufgesucht wird, der damit zur ersten ‚Kategorie‘ der Geister zählt. Der Vater beauftragt daraufhin einen Magier, einen ‚zweiten Tod‘ heraufzubeschwören. Am Grab des Sohnes spricht der Zauberer magische Formeln und nutzt Steine und eiserne Ketten, um den Geist zu bannen.

Während der Zauberer in der beschriebenen Szene erst nach Erscheinen des Geistes in Aktion tritt, deuten archäologischer Grabbefunde, die oftmals als ‚Sonderbestattungen‘ bezeichnet werden, darauf hin, dass einige der im Text beschriebenen Hilfsmittel auch ‚präventiv‘ – also am noch offenen Grab – angewandt worden sein könnten. Dazu zählen etwa Gräber, in denen den Leichnamen Steine in den Mund oder auf bestimmte Körperpartien gelegt oder Skelette, auf denen eiserne Gegenstände (zumeist Nägel) deponiert wurden. Auch Bestattungen in Bauchlage, also mit dem Gesicht nach unten, wurden in der Forschung bisweilen mit sozialen Randgruppen aber auch möglichen Wiedergängern in Verbindung gebracht.

Gr. 49/Gräberfeld Kristein, Lauriacum ©BDA

Wiedergänger in Lauriacum?

Während man in römischer Zeit die Toten mehrheitlich in gestreckter Rückenlage beisetzte, sind in zahlreichen Gräberfeldern Bestattungen in Bauchlage bezeugt. Diese Variante ist auch durch Befunde aus den Gräberfeldern Steinpaß und Kristein für Lauriacum mehrfach belegt. Im Gräberfeld Steinpaß wurden mindestens 12 Individuen auf diese Weise beigesetzt, darunter Frauen und Männer und in einem Fall ein Säugling. Für das Gräberfeld Kristein ist die Bauchlage in drei Fällen dokumentiert. Zweimal handelt es sich um männliche Erwachsene, die enthauptet worden waren. Tod durch Enthauptung zählte zu der am weitesten verbreiteten Kapitalstrafe im Römischen Reich und wurde durch das Schwert, seltener durch die Axt exekutiert. Daneben gibt es Hinweise aus Gräberfeldern im heutigen Großbritannien, dass in einigen Fällen die Enthauptung erst nachträglich stattgefunden haben könnte. Derartige Praktiken erinnern an jene Methoden, die bei ‚Vampiren‘ im 17. und 18. Jahrhundert angewandt wurden: Galt ein Verstorbener / eine Verstorbene als Vampir, wurde das Grab geöffnet und der Leichnam geschändet, verbrannt oder enthauptet und damit nochmals getötet.  

Während einige der Enthaupteten in anatomisch korrekter Position begraben wurden, findet sich in manchen Gräbern – so auch in den Gräbern 16 und 49/Kristein und Gr. 249/Steinpaß – der Kopf bei den Füßen. Möglicherweise handelt es sich sowohl bei der Bauchlage als auch bei der Deponierung des Kopfes bei den Füßen um Maßnahmen, welche die Rückkehr der Geister der Verstorbenen verhindern sollte. Diese Theorie bleibt spekulativ, würde jedoch eine Erklärung für die auffallende Lage der Skelette im Grab bzw. den Umgang mit den Leichnamen darstellen und ist angesichts der Tatsache, dass es sich bei Enthaupteten um die zweite ‚Kategorie‘ von Geistern handelte (jene, die durch einen gewaltsamen Tod ihr Ende gefunden hatten), durchaus möglich.

Die Lemuria

Dass die Welt der Geister nicht nur in den magischen Bereich fiel, belegt die Abhaltung eines Festes, das neben diversen religiösen Feierlichkeiten im römischen Festtagskalender verankert war und das erzürnte Geister besänftigen bzw. deren Wiederkehr verhindern sollte: die Lemuria. 

Sie wurden 9., 11. und 13. Mai gefeiert, wobei das zentrale Ritual am ersten Tag um Mitternacht vom Hausherrn vollzogen und vermutlich an den weiteren Tagen wiederholt wurde. Dieser musste barfuß und mit verschränkten Fingern durchs Haus gehen, schwarze Bohnen hinter sich werfen und neunmal „diese (die Bohnen) werfe ich von mir, und kaufe mit den Bohnen mich selbst und die Meinen frei“ ausrufen. Danach schlug er auf ein Bronzegefäß und rief „Manen (Geister) der Väter, zieht aus“. Nach Abhaltung des Rituals waren die Geister besänftigt und damit die Gefahr, die von ihnen ausgehen konnte, gebannt. In diesem Sinne wünschen wir allen ein Happy Halloween mit guten Geistern!

Weiterführende Literatur:

  • S. Alfayé. Sit tibi terra gravis: Magical-religious practices against restless dead in the Ancient World. In: F. Marco / F. Pina / J. Remesal (Hrsg.), Formae mortis: el tránsito de la vida a la muerte en las sociedades antiguas (Barcelona 2009) 181–216.
  • S. I. Johnsten, Restless Dead. Encounters between the Living and the Dead in Ancient Greece (Berkeley / Los Angeles 2013)
  • D. Odgen, Greek and Roman Necromancy (Princeton / Oxford 2001).
  • D. Ogden, Magic, Witchcraft, and Ghosts in the Greek and Roman Worlds. A sourcebook (Oxford 2002).
  • W. Schwerdt, Vampire, Wiedergänger und Untote. Auf der Spur der lebenden Toten (Berlin 2011).

Verfasst von

Lisa Huber studierte Altertumswissenschaften und Klassische Archäologie an der Universität Salzburg und promovierte 2022 zu den römischen Gräberfeldern von Iuvavum/Salzburg. Seit 2015 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Salzburg tätig. Ihre Forschungen konzentrieren sich auf provinzialrömische Sepulkralarchäologie, Iuvavum und römische Sachkultur. Im LDDL-Projekt ist sie für die Kontextualisierung des Fundmaterials und die archäologische Auswertung zuständig. www.plus.ac.at, uni-salzburg.academia.edu, www.researchgate.net

Das Projekt wird aus Mitteln des Heritage Science Austria-Förderprogramms der Österreichischen Akademie der Wissenschaften finanziert.

www.oeaw.ac.at

Projektträger

Naturhistorisches Museum Wien
OÖ Landes-Kultur GmbH
Paris Lodron Universität Salzburg

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